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Infos zum Buch:

Taschenbuch: 144 Seiten
Verlag: DuMont Buchverlag GmbH & Co. KG; 2. Edition (13. August 2024)
ISBN: 978-3755800071
Preis: 20,00 €

Inhalt:

»Berührend und brillant, ernst und trotzdem beschwingt und so gut geschrieben: Katja Lewina führt uns mit kühner Leichtigkeit durch die schwersten Gefilde des Lebens. Kann man ein schönes Buch über das Sterben schreiben? Eigentlich nicht. Katja Lewina ist es trotzdem gelungen.« DANIEL SCHREIBER


Sterben – das tun doch immer die anderen. Die Alten vielleicht, die Kranken. Aber was, wenn der Tod näher ist als gedacht? Und unser Leben unwägbarer als wir annehmen? Seit zwei Jahren weiß Katja Lewina von ihrer Herzerkrankung und dass sie ihr jederzeit das Leben kosten kann. Die Diagnose bekam sie kurz nach dem plötzlichen Tod ihres siebenjährigen Sohnes. Mit einem Mal wurde die Möglichkeit zu sterben Teil ihres Alltags. 
In ›Was ist schon für immer‹ beschäftigt sich Katja Lewina mit dem Thema Sterblichkeit und Verlust. Ausgehend von ihrer eigenen Situation, erkundet sie eine Erfahrung, die uns am Ende alle betrifft. Was macht unsere Endlichkeit mit der Liebe? Wie erklärt man das den Kindern? Was wollen wir hinterlassen? Was holen wir aus unserem Leben raus – sollen wir der Gesundheit zuliebe ruhig machen und damit eine Menge verpassen oder ganz im Gegenteil aufs Gas treten? Wie reagieren Menschen auf Krankheit und Tod? Gibt es richtige und falsche Worte? Was gehört geklärt und was vergessen? Diesen Fragen stellt sich Katja Lewina in elf Essays ohne die üblichen Carpe-diem-Plattitüden, dafür mit extra viel No-Bullshit-Sauce. Und dem unliebsamen Reminder: Sterben geht uns alle an.

Meine Meinung:

Direkt vorab: die Autorin Katja Lewina war mir vor dieser Lektüre vollkommen unbekannt. Ich kannte weder sie, noch ihre anderen Werke und auch nicht ihre Geschichte. Einzig und allein das schlichte Cover und der Titel, der gleichermaßen als Frage, wie auch als Tatsache gelesen werden kann, hatte es mir von Anfang an angetan.

“Was ist schon für immer – Vom Leben mit der Endlichkeit” – ein starker Titel, der zugleich Platz für eigene Gedanken und Fragen lässt. Was ist schon für immer? Was ist Endlichkeit? Und was ist Unendlichkeit? Und bin ich mir eigentlich bewusst darüber, welches von beiden ich lebe?

Katja Lewina erzählt in ihrem Buch aus ihrem Leben. Wir erfahren von ihrer Krankheit, deren Symptome sie schon länger heimsuchten, aber die erst nach dem Tod ihres jüngsten Kindes diagnostiziert wurde. Nicht nur diese Krankheit macht ihr bewusst, dass ihr eigenes Leben endlich ist, sondern auch der viel zu frühe und unerwartete Tod ihres geliebten Sohnes. Tatsächlich berichtet sie im ersten Kapitel davon. Schonungslos, hart und doch mit einer Art Zurückhaltung. Mir hat es bereits beim Lesen das Herz in der Brust zusammengeschnürt und mir Tränen in die Augen getrieben. Wie konnte sie das nur überleben? Wie hat sie das geschafft? Wie wäre ich damit umgegangen? Würde ich überhaupt noch leben, wenn mir das widerfahren wäre? Diese und weitere Fragen schossen mir wie spitze Pfeile einer Armbrust durch den Kopf und trafen mich mitten ins Herz. Gerade als Mutter leide ich mit ihr.

Das Herz. Auch das spielt hier eine große Rolle, nicht nur in meinen Beschreibungen, auch bei Katja Lewina selbst, denn sie leidet an einer Herzkrankheit, die durch einen Gendefekt ausgelöst wurde. Nur der Schock eines eingesetzten Defibrillators kann ihr helfen, ihr Herz in anstrengenden Situationen im Takt des Lebens zu halten.

Doch geht es hier nicht alleine um ihre Krankheit oder um den Verlust, sondern um das Thema, das in unserer Gesellschaft tabuisiert wird: den Tod, das Sterben, das Ende des Lebens. Als ich noch Küsterin war habe ich sehr oft Beerdigungen beigewohnt (aus beruflichen Gründen). Ich habe viele Arten von Trauer gesehen und auch einige Rituale von unterschiedlichen Religionen kennenlernen dürfen. Meist waren die Trauernden in schwarze Kleidung gehüllt, der Sarg oder die Urne respektvoll und schlicht gehalten, mit Blumen, die die Trauer symbolisierten, verziert. Reden wurden gehalten, mal mehr, mal weniger auf den oder die Verstorbene ausgerichtet und letzten Ende landeten sie alle in der Erde und wohnten ab dem Zeitpunkt in ihrer “ewigen Ruhestätte”. Doch muss ich auch sagen, dass sich diese Zeit etwas geändert hat. In Zeiten von Social Media sieht man viel (und lernt es auch) und so konnte ich auch eine neue Sterbekultur erkennen: die mit bunten und schillernden Festen, bei denen Beerdigungen mit Gesang, Tanz, bunten Gewändern, bunten Blumen oder sogar summenden, selbst gebastelten Bienen begangen wurden.

Wer jetzt denkt, in diesem Buch stößt er auf Floskeln zum Thema Tod, die man überall schon hinlänglich gehört hat oder aber auf schwermütige Erzählungen, der irrt. Denn im Laufe der Kapitel stellt sich eins heraus: Katja Lewina setzt sich mit dem Tod auseinander, denn er gehört zum Leben.

Ein Satz, der mir in Erinnerung geblieben ist und mich wachgerüttelt hat, war dieser hier:

“Alles, was uns bleibt, ist, uns an dem zu freuen, was wir in diesem Moment haben. Denn es kann jederzeit vorbei sein.” (S. 16)

Natürlich muss uns das allen klar sein, auch mir! Ich lebe nicht ewig, das will ich auch gar nicht. Aber zu denken, dass das Morgen auf jeden Fall kommt, von einer Selbstverständlichkeit auszugehen, dass das Leben Morgen weitergeht und nicht abrupt endet, ist absurd. Alles endet. Alles kann jederzeit enden. Oder – wie heißt es so schön – mit jedem Tag kommen wir dem Tod immer näher. Jede Sekunde sterben wir ein wenig mehr.

Ich habe mich noch nie so intensiv mit dem Thema Tod auseinander gesetzt wie mit dieser Lektüre. Und doch war es keine durchweg traurige Lektüre, die mir meine Endlichkeit bewusst gemacht hat, sondern eine, die mich gelehrt hat, den Moment, den Augenblick, das HIER und JETZT, zu genießen und das Leben nicht auf irgendwann zu verschieben.

Wenn ich erst mal dies und jenes erreicht habe, dann kaufe ich mir x. Wenn ich erst einmal das getan habe, dann bin ich glücklich und zufrieden. Warum begrenzen wir uns selbst mit diesen Floskeln? Warum ziehen wir uns selbst Grenzen um unser eigenes Glück?

“Meine Erkrankung bremst mich zwar körperlich aus, aber sie hilft mir gleichzeitig jeden Tag dabei, nicht zu vergessen, dass ich keine Zeit für Bullshit habe.” (S. 18)

Das ist es. Ich habe keine Zeit für Bullshit und keine Zeit für Irgendwann. Irgendwann ist Jetzt.

Zu Beginn des Buches bemerkte man im Schreibfluss von Katja Lewina eine Schwermütigkeit. Das Thema Tod war ihr schon zu oft in ihrem Leben begegnet, als dass sie es einfach beiseite schieben und ignorieren könnte. Und doch merkt man, von Kapitel zu Kapitel, wie sich ihre Sichtweise ändert und wie sie es schafft, dabei den Leser auch mit sich zu nehmen auf diese Lebensverändernde Reise hin zum eigenen Tod. Nein, Katja Lewina ist nicht verstorben. Mit meinem vorherigen Satz meine ich nur, dass sie uns mit ihrem Buch unsere eigene Endlichkeit bewusst macht und uns dazu aufruft, den Tod nicht als einen Endgegner zu betrachten, sondern als Teil des Lebens und als Weckruf, dieses auch wirklich zu leben. Denn: wer will schon auf seinem Totenbett liegend, dem Tod ins Gesicht blickend, all die Dinge bereuen, die er nicht getan hat? Die beste Zeit, alle Träume und Wünsche umzusetzen ist Jetzt. Und die beste Zeit, alle Zweifler, falschen Freunde, die uns zurückhalten und begrenzenden Gedanken und Glaubenssätze loszulassen, ist ebenfalls Jetzt.

“Was ist schon für immer” von Katja Lewina ist kein Buch über den Tod, sondern ein Manifest für das Leben. Denn, wer den Tod nicht fürchtet, wer auf ihn vorbereitet und sich dessen bewusst ist, dass er jederzeit kommen kann, der ist letztendlich frei und kann sein Leben leben.

Eine klare Leseempfehlung für euch alle!

Author

nwacht@gmx.net

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